Wahlen in Basel-Stadt - eine Analyse

  • Wahlen in Basel-Stadt - eine Analyse

    gruener (Luddit), 17.10.2012 02:29
    #1

    einen interessanten Bericht habe ich in der Basler Zeitung gefunden. Unwissend, wie lange dieser online ist, stelle ich ihn ausnahmsweise komplett ein:

    Bürgerliche Allianz ist chancenlos

    Von Markus Vogt.

    FDP, LDP, CVP und SVP schafften es einmal mehr nicht, gegen Rot-Grün ein Wahlbündnis auf die Beine zu stellen. Die SVP findet, dass sich die CVP längst aus dem bürgerlichen Lager verabschiedet habe. Die CVP umgekehrt hat der SVP definitiv jede Zuneigung aufgekündigt – eine Zusammenarbeit wird heute strikt abgelehnt. Die beiden Parteien sind sich spinnefeind geworden. Nur gerade Teile von FDP und LDP könnten sich eine Zusammenarbeit respektive ein Wahlbündnis mit der Volkspartei noch vorstellen. Doch der Sympathisanten werden immer weniger.

    Insgesamt ist das bürgerliche Lager unter Druck geraten: Die traditionellen Bürgerlichen erleben einen Niedergang in Raten. Der SVP gelingt es zwar, in Proporzwahlen Wähleranteile zu gewinnen, sie kommt aber in Majorzwahlen nicht auf Touren, weil ihr nach wie vor das geeignete politische Personal fehlt und weil sie lange, ja zu lange einen rüden Politstil pflegte, gerade auch gegenüber den Bürgerlichen, den prädestinierten politischen Partnern.

    Bürgerlicher Niedergang

    Die bürgerlichen Parteien Basels, die lange Jahre das politische Geschehen im Stadtkanton bestimmt haben, spielen seit Jahren nur noch die zweite Geige. Auf der Sonnenseite beziehungsweise in der Wählergunst stehen die roten und grünen Parteien, also Sozialdemokraten, Grüne und BastA!, die ehemalige Poch. Rot-Grün sitzt ziemlich fest im Sattel, alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich dies in den Basler Wahlen vom Oktober dieses Jahres nicht ändern wird. Rot-Grün wird die Regierungsratswahlen wieder gewinnen, bei den Grossratswahlen werden Linke und Grüne die Nase ebenfalls vorne haben, selbst wenn sie vielleicht Abstriche in Kauf nehmen müssen.

    Die bürgerlichen Parteien haben ihre Dominanz eingebüsst und müssen, wenn es darauf ankommt, meist den linken Parteien den Vortritt lassen. Dabei ist der Kanton Basel-Stadt politisch quasi zweigeteilt: Rot-Grün auf der einen Seite und Bürgerlich auf der anderen halten sich mehr oder weniger die Waage, die Sympathien im Volk sind insgesamt etwa zu gleichen Teilen verteilt. Also müsste man doch auch ab und zu gewinnen, möchte man meinen. Doch dem ist bei Weitem nicht so. Meist gewinnt die eine Seite, die rot-grüne; die Bürgerlichen gucken in die Röhre. Aus einem einfachen Grund: Die Bürgerlichen streiten sich zu oft, sind selten einig und hinterlassen insgesamt einen beschämenden Eindruck. Rot-Grün, das Gegenüber in der Politik, markiert hingegen Geschlossenheit, und das selbst dann, wenn sich SP und Grüne einmal nicht ganz gefunden haben. Natürlich ist das eine Momentaufnahme, die Bürgerlichen waren nicht immer so zerstritten. Und es gab ja auch einmal eine Zeit ohne SVP in Basel-Stadt, da war die Welt für die Bürgerlichen durchaus in Ordnung. Bis die SVP in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre entstand und den Laden aufzumischen begann.

    Strube Zeiten für die Linke

    Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten die Sozialdemokraten, mit Unterstützung der Partei der Arbeit, in den Regierungsratswahlen einen überwältigenden Sieg gelandet – die SP stellte vier Regierungsmitglieder, zuerst allein, dann zusammen mit einem PdA-Mitglied bis ins Jahr 1950. Das war das Ende des «Roten Basel» (und nebenbei der Beginn des Niedergangs der PdA, die heute ganz verschwunden ist). Für die Bürgerlichen brachen gute Zeiten an. Bis zu Beginn der Achtzigerjahre galt als Basler Zauberformel für die Regierung: Vier Bürgerliche und drei Sozialdemokraten.

    Für die Bürgerlichen kam es noch besser, als in der SP zu Beginn der Achtzigerjahre heftige Richtungsdiskussionen entbrannten, die am Ende zur Abspaltung des damaligen Gewerkschaftsflügels führten. SP-Regierungsrat Karl Schnyder verliess seine Partei und gründete zusammen mit Getreuen die Demokratisch-Soziale Partei (DSP). Später folgte ihm sein Parteikollege Edmund Wyss nach, und der dritte Sozialdemokrat Hansruedi Schmid war schon vorher aus der Partei ausgeschlossen worden: Er hatte sich als wilder Regierungsratskandidat aufstellen lassen und 1976 den offiziellen SP-Kandidaten Helmut Hubacher mit bürgerlicher Unterstützung verhindert. Für kurze Zeit war die SP in der Regierung gar nicht mehr vertreten. In der Wahl 1984 wurden die alten Verhältnisse zum Teil wieder hergestellt, als mit Mathias Feldges und Remo Gysin erstmals wieder zwei Sozialdemokraten den Sprung in die Exekutive schafften. Die Zusammensetzung lautete nun vier Bürgerliche, ein DSP und zwei SP – bis 1996, als CVP-Mann Christoph Stutz abgewählt wurde und die SP einen dritten Sitz eroberte.

    Die vier folgenden Jahre waren die beste Zeit für die DSP – sie spielte zwischen je drei bürgerlichen und sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern des Öfteren das Zünglein an der Waage. In der Wahl 2000 kehrten die Bürgerlichen das Ganze noch einmal zu ihren Gunsten, vier Bürgerliche (zwei LDP, ein FDP, ein CVP) sassen zwei SP- und einem DSP-Regierungsmitglied gegenüber. 2004 schliesslich punktete Rot-Grün total: Drei SP, ein Grüner, je ein FDP-, LDP- und CVP-Regierungsrat, die DSP verschwand. Das scheint die neue Basler Zauberformel zu sein. Vielleicht für lange Zeit.

    SVP mischt als neuer Player auf

    Die SVP hat 1999 in den Bürgergemeinderatswahlen fast aus dem Stand einen Wähleranteil von über acht Prozent geholt und diesen seither in allen Wahlen ausgebaut. Im gleichen Jahr eroberte sie mit Jean Henri Dunant einen Nationalratssitz und hielt diesen seither sicher, während die traditionellen bürgerlichen Parteien FDP, LDP und CVP kämpfen müssen. Dass die SVP eigentlich zum bürgerlichen Block gehört, denken viele im bürgerlichen Lager, eine entsprechende Diskussion müsste einmal geführt werden, losgelöst von gerade anstehenden Wahlen. Aber man verspricht sich nicht allzu viel davon, solange bei der SVP Schweiz Christoph Blocher, Christoph Mörgeli und Konsorten den Ton angeben. Erst wenn Blocher einmal abgetreten ist, wird sich das Verhältnis zu anderen Parteien verbessern. Und das sagen hinter vorgehaltener Hand heute selbst gestandene SVP-Mitglieder. Den Blocher-Stil pflegte seinerzeit die Gründungspräsidentin der Basler SVP, Angelika Zanolari; ihre Nachfolger Jean Henri Dunant und Sebastian Frehner treten wesentlich moderater auf.

    Ein Problem im bürgerlichen Lager ist, dass die beteiligten «Partner» heute unterschiedliches Gewicht haben – vor zehn, zwanzig, dreissig Jahren hatten FDP, LDP und CVP mehr oder weniger gleiche Bedeutung. Auch nicht zu übersehen ist, dass nicht nur der SVP das geeignete Personal für höhere Weihen fehlt, sondern auch den Bürgerlichen, insbesondere der FDP. Deshalb flogen hinter den Kulissen auch schon die Fetzen, namentlich zwischen Freisinnigen und Liberalen, die heute als «Schwesterparteien» auftreten.

    Die Regierungspartei

    Das Personal ist das zentrale Thema. Alt Regierungsräte berichten, dass sie zu ihren Zeiten das Parteibüchlein am Tag des Eintritts in die Regierung zu Hause in einen Schrank gelegt hätten. Eine Zeit lang galt die Maxime, die dem CVP-Politiker Eugen Keller zugeschrieben wird: «Die Regierung setzt sich nicht aus mehreren Parteien zusammen. Die Regierung ist eine Partei.» Das ging so lange gut, bis Politiker in die Exekutive entsandt wurden, die sich eher der Parteipolitik verschrieben und das Kollegialitätsprinzip links oder rechts liegen liessen. Beispiele dafür sind Remo Gysin (SP) und Christoph Stutz (CVP); sie verliessen die Regierung denn auch nicht freiwillig, sondern wurden beide abgewählt. Saskia Frei (FDP) und Helmut Hubacher (SP) schafften den Sprung ins Regierungsamt schon gar nicht. Das Volk ist eben nicht zu täuschen.

    Ein Regierungsmitglied darf nicht zu sehr am Gängelband seiner Partei laufen – genau das traut man den SVP-Leuten nicht zu, und zuweilen hört man entsprechende Kritik auch an SP-Magistraten. Gefragt sind demnach Politikerinnen und Politiker, die sich von ihren Parteipositionen zu lösen vermögen. Am schwersten tun sich damit auf der einen Seite SVP-Mitglieder, auf der anderen BastA!-Politiker.

    Massgebende bürgerliche Exponenten finden, dass eine Einigung im bürgerlichen Lager überfällig ist. Doch solange sich CVP und SVP derart unversöhnlich zeigen, nicht zuletzt wegen des Parteiengezänks auf nationaler Ebene (Abwahlen Ruth Metzler und Christoph Blocher aus dem Bundesrat), ist dies ein Ding der Unmöglichkeit. Die Basler SVP wirft der CVP vor, wortbrüchig zu sein: Als die Riehen-Wahl 2010 vorbereitet wurde, habe man sich zugesichert, künftig bei jeder Wahl zusammen zu marschieren, die CVP kümmere sich jedoch keinen Deut darum, sondern suche nur ihren eigenen Profit. Bei der Nationalratswahl 2011 ist es für die CVP aufgegangen, als sie aus dem bürgerlichen Lager ausscherte: Sie holte einen Sitz auf Kosten der Grünen. Der Preis dafür ist ein noch tieferes Zerwürfnis mit der CVP.

    http://bazonline.ch/basel/stadt/Buergerliche-Allianz-ist-chancenlos/story/229789 04?dossier_id=1382

  • Meine Einschätzung der BS-Grossratswahlen 2012

    gruener (Luddit), 17.10.2012 02:39, Antwort auf #1
    #2

    in der Verlustzone:

    • SP - (leichte) Verluste, unter 30 %
    • Grüne - (leichte) Verluste
    • CVP - 1 - 2 % Verlust
    • LDP -  Verluste, vermutlich zugunsten der FDP
    • Kleinstparteien, insbesondere die Stümper von der VA

    Unklar:

    • SVP - von Verlust bis Zugewinn alles drin, 2.-stärkste Kraft
    • FDP - könnte von der Schwäche de LDP profitieren, baut aber insgesamt eher ab.

    In der Gewinnzone:

    • glp - die Gewinnerin der Wahl, Verdoppelung des 2008er Ergebnisses nicht unmöglich
    • BDP - tritt das 1. Mal an - sind aber in Basel nicht die "Burner"
    • EVP - leichte Zugewinne, profitiert von der Auflösung der DSP
    • EDU - die legen neuerdings immer leicht zu... SD-Bonus?
    • Piraten - treten das 1. Mal an, aber deutlich unter deutschem Niveau

    Konkrete Zahlen folgen in der kommenden Woche.

  • Prognose für die BS-Grossratswahlen 2012

    gruener (Luddit), 22.10.2012 22:23, Antwort auf #2
    #3

    Es folgt meine angekündigte Prognose für die Basler Wahlen:

    • SPS: 27 % / -3
    • SVP: 15 % / +1
    • GPS: 13 % / -1
    • CVP: 8 % / -2
    • FDP: 9 % / +-0
    • LDP: 7 % / -2
    • glp: 8 % / + 3
    • EVP 5,0 % / +0,5
    • EDU 3,0 % / +0,5
    • PIR 2,5 % / +2,5
    • BDP 1,5 % / +1,5
    • AND 1,0 % / -2,5

    Ich erbitte Widerspruch.

  • RE: Prognose für die BS-Grossratswahlen 2012

    last-exit, 27.10.2012 03:38, Antwort auf #3
    #4

    Kein Widerspruch! Nicht aus meiner Sichtwarte.

  • RE: Prognose für die BS-Grossratswahlen 2012

    Politrebell, 27.10.2012 12:19, Antwort auf #4
    #5

    Meine Prognose:

    SP: stabil bis leichte Verluste

    GP: stabil bis leichte Verluste

    SVP: leichte Verluste bis leichte Gewinne

    CVP: mässige Verluste

    FDP: stabil

    Liberale: leichte Verluste

    GLP: mässige Gewinne

    BDP: mässige Gewinne

    EVP: leichte Verluste

    EDU: stabil

    Je nach Proporzglück oder Proporzpech hingegen grössere Sitzverschiebungen, als es die Veränderungen in % wiederspiegeln.

  • RE: Prognose für die BS-Grossratswahlen 2012

    gruener (Luddit), 27.10.2012 15:58, Antwort auf #5
    #6

    von norddeutschland bis ins schweizer hinterland eine ähnliche einschätzung des basler wahlausgangs. interessant.

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